Delirium der Beziehung

Delirium der Beziehung

Traurig macht mich mein eigenes Fühlen. Dass ich am Ende einer märchenhaften Surrealität, einer persönlichen Träumerei, doch wieder etwas zu verhärmt werde, betrübt meine Selbstwahrnehmung und belegt mich mit schweren Lasten.

Ich möchte frei sein von der Suche nach anderen Menschen, vom Verlangen nach deren Bestätigung und Zufriedenheit. Aber immer wieder entflammt geisterhaft diese Begierde danach und ich verfalle in dem Wunsch nach übernatürlicher Begegnung in Illusionen und Liebeleien. Der Fehlinterpretation folgt leere Idealisierung. Am Ende bleibt also immer nur die Verzweiflung. Ankommen werde ich nicht, denn irgendwie bin ich es, der zu niemandem passen wird. Ihr könnt nur unzufrieden werden mit mir, während ich mir die Seele vom Leib schneide und mir ununterbrochen die eigene Leiche auf den Rücken schnalle.

Es tut mir leid. Ein Zerstörer muss ich wohl sein, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten für mich, aus deren Kreislauf ich mich nicht befreien kann. Entweder gibt es nichts, alles ist mir egal. Oder aber ich sehe mehr als unendliche Verbundenheit. Eine übersteigerte Liebe zu allen Menschen, die kein Wesen je zu ertragen fähig wäre. Und die unbekannte Schönheit wird zur Göttin für mich, fernab jeder Realität und Wahrheit.

Ich werde zum Opfer meiner Imagination, denn ich sehe nur noch sie, die geheimnisvolle Fremde. Ist sie der Dämon, der mich gänzlich der Vernichtung unterzieht, meinen Trieb nach Abneigung befriedigt? Oder ein stiller Engel, der schweigend mit mir wartet, genießt und das Leben in Verborgenheit zelebriert?

Das Unerreichbare treibt mein Leben an. Die Sehnsucht verwuchs sich schon in jungen Jahren in mir zum festen und größten inneren Bestandteil. Niemals werde ich jemanden finden, der mit mir durch die Dunkelheit wandelt. Es wird kein gemeinsames Streifen mit zugewachsenen Mündern in der Stille geben.

Es liegt an mir, an meinem Sein und Sehen. Das Hören meines Geistes verfälscht das Leben, spiegelt alles in bunten Farben und legt danach ein graues Tuch darüber.

Für was scheine ich überhaupt befähigt zu sein? Für die Existenz nach dem Tode. Ein Lachen in meinen Eingeweiden verdirbt mir die Nahrung und die schwarze Seele heuchelt mir die Antwort mit dem Klimpern der Rasierklingen vor.

»Sitze aufrecht und verteidige dich!«, verhöhnt sie mich, lacht laut los und nimmt immer mehr an Größe zu. »Hoffnungslos bist du seit Geburt. Dein Herz ist ein Loch, an dem nichts haften bleibt außer dem Schmerz und ein paar zweifelnden Fragen der Ewigkeit. Fliehe vor dir selbst und zerhaue deine verkommenen Fundamente, die andere in dich legten. Du bist ein Verdammter. Unheilig gesprochen für alle anderen Menschen.«

Der Atem wird mir zu schwül, mein Arm greift hinter mich und ich befreie mich von meinem aufrechten Stand, treibe mir die Wirbelsäule aus dem Körper. Damit beginne ich, mich selbst zu bestrafen und meine Haut mit tiefen Wunden zu versehen, aus denen die finstere Seele ihre Existenz in hastigen Zügen schluckt.

»Du bist es nicht wert«, klopft mir die Ohnmacht auf die Schulter. Zu viele Geister haben sich um mich versammelt. Meine Wohnung hat sich verdunkelt und sie stehen alle im Schatten um mich herum, während ich mit aufgeblühten Augen niederknie und mir die Tränen durch ihre ätzende Wirkung zur Wohltat werden.

Ohnmacht, Zweifel, Selbsthass, Neid und Sucht. Die Abhängigkeit, der Wissensdurst samt der Traurigkeit. Sie tanzen im Reigen der Geigen von Depression und Melancholie. Diese beiden haben sich in ihr elegisches Hochzeitskleid gehüllt und schreiten nun langsam auf mich zu.

Als sie bei mir angekommen sind, ergreifen sie jeweils einen meiner Arme und flüstern mir die Schwärze in mein Herz. Von den Rändern meiner Augen verfinstert sich mein Sehen, der Mund wird mir aufgerissen und die Nacht bricht über mich herein.

Es bleibt ein frostiger Schmerz, mein ganzes Wesen wird ein von der Verzweiflung verseuchtes Untier, das niemals befähigt sein wird, zu lieben und zu genießen.

»Du bist nicht von dieser Welt. Du bist ein Ausgeschlossener, ein loses Blatt am Boden, das von Sonne und Regen zu Staub verwandelt wird.«

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